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Die Schattenseite einer Eliteuniversität

Updated: Jan 29, 2020

Warum werden Unis von klimaschädlichen Unternehmen finanziert?

Die Schattenseite einer Eliteuniversität. Foto: Ethno Arts & Health by Jopa
Die Schattenseite einer Eliteuniversität. Foto: Ethno Arts & Health by Jopa
Auch ich erhielt die Einladung zur Vollversammlung der Münchner Unis am 22.01.20, organisiert von der Bewegung 'KLIMA BRENNT, UNI BRENNT'. "Die Studentenbewegung ist wieder aufgewacht", war mein erster Gedanke. Zwar bin ich seit geraumer Zeit kein Student, fühlte mich aber als gesellschaftspolitisch unruhige und beunruhigte Person angesprochen. Die Ankündigung sorgte für Euphorie, die vor Ort aber nachließ. Wie es zu einer Enttäuschung kam, aus der ich wieder herauskam und den Geschwister-Scholl-Platz letztendlich mit einer Prise Hoffnung verließ, erkläre ich in diesem Artikel.

von Dr. med. Thanasis Bagatzounis

Dass sich nun die Studenten der 'FRIDAYS FOR FUTURE' Bewegung anschließen und sofortige Maßnahmen zur Abwendung einer Klimakatastrophe sowie Klimagerechtigkeit von der Politik fordern, ist durchaus begrüßenswert.


"Die Münchner Unis sehen zu, wie das Klima zerstört wird und lassen sich von klimaschädlichen Unternehmen wie RWE finanzieren. Das lassen wir nicht länger zu!", hieß es in der Pressemitteilung der Veranstalter.


Das hat mich an meiner Studentenzeit erinnert, als wir 1985 nach Bonn gefahren sind, um unter anderem für die atomare Abrüstung und den Frieden zu demonstrieren – aber auch gegen die zunehmende Drittmittelfinanzierung an Hochschulen.


Warum die zwei Münchner Universitäten von klimaschädlichen Unternehmen wie RWE, Siemens, BMW usw. finanziert werden und warum die Studierenden in München wenig Einfluss auf die Politik ihrer Unis haben, wollten die kritisch und politisch denkenden Studenten in dieser Vollversammlung diskutieren.


Und was hatte ich, als Nicht-Student, unter ihnen verloren? Ich vermutete, dass dort einige Medizinstudenten dabei sind, die man für ein Thema, das mich dermaßen beschäftigt, sensibilisieren könnte. "Medizinische Forschung und Innovation soll dem Menschen und nicht dem Profit dienen" betitelte ich meine Flugblätter und fuhr Richtung Universität.



Als sich eine Handvoll Leute im Lichthof der LMU versammelte, gingen wir alle gemeinsam zur großen Aula. Kurz danach aber kam das Security-Team und sperrte die Türen der Aula zu. Die Begründung? Die Versammlung sei nicht angemeldet. Jetzt könnte man den Saal nur über den Notausgang verlassen.


„Feierabend! Feierabend!“

schrie aus den Rängen eine kräftige weibliche Sicherheitskraft mit brüllender Stimme, um Autorität zu demonstrieren. Dem Schock folgte die große Ernüchterung:

Seit 1974 sind Vollversammlungen von Studierenden im Bayerischen Hochschulgesetz nicht erlaubt*,

sagte eine Studentin am Mikrophon.


Die Anwesenden Studenten haben die Fassung nicht verloren und stellten ihre ca. 30-minütige Präsentation 'Klima brennt – Uni brennt – für was brennst Du so?' vor:


Wie in guten alten Zeiten…

Für die anschließende Diskussion setzten wir uns im Kreis auf der Bühne der großen Aula. Es wurde inhaltlich diskutiert: Klimagerechtigkeit, Basisdemokratie, Mitspracherecht der Studierenden, künftige Aktionsformen wie etwa die Öffnung der Unis und die Solidarisierung der Studenten mit anderen gesellschaftlichen Gruppen.



In der Pause konnte ich mich mit interessanten jungen Menschen austauschen und mir über ihre Probleme aber auch ihre Entschlossenheit, etwas zu bewegen, ein Bild zu machen. Unglaublich, was es dort für Potenzial und Dynamik gibt. Einige von ihnen:


Samuel, Aktivist im Bereich 'Inklusion', engagiert sich für die Eröffnung der Universitäten und über den Verein #Gemeinwohlwohnen (www.gemeinwohlwohnen.de) für ein besseres Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung, unabhängig von ihrer Herkunft und sozialen Status.


Seine Initiative startet im genossenschaftlichen Gasthaus #Domagk (Fritz-Winter-Straße 12) den Stammtisch "inklusives Wohnen" (7.2.20, 18:00).


Die Zusammenarbeit aller diskriminierten Gruppen Münchens, die wir als Wählerliste für die Kommunalwahlen 'Zusammen Bayern' (#ZuBa) bezwecken, findet er äußerst wichtig.


Jannis, junger Start-up Unternehmer engagiert sich gegen Klimawandel und Kapitalismus. Er fordert:


1. Den sofortigen Ausstieg aus der Kohle

2. Die gezielte Steuerung der Energieversorgung

3. Den kostenlosen Bahnverkehr

4. Den Ausbau des Schienennetzes


Darüber wird immer jeden zweiten Dienstag um 19:00 im #BarrioOlgaBenario diskutiert. Ferner gibt es die Aktion #UnfuckAktionärsversammlung, die am 5.2.20 um 8:00 auf dem Coubertain-Platz vor der Olympiahalle stattfinden soll.


"Zeit, die Siemens-Aktionärsversammlung zu einer Bürgerversammlung zu machen", heißt es auf dem Flyer. Siemens hilft nämlich dem multinationalen Großkonzern Adani beim Bau einer riesigen Kohleminne in Australien.


Was haben aber die Unis mit all dem zu tun?

Siemens, sowie andere Konzerne finanzieren mittlerweile ca. 30 Prozent der Forschung an der TU München.

Und die LMU, die proportional zwar weniger industrieaffine Fakultäten hat, soll zwischen 2007-2013 über 2,1 Mio. Euro von der USA-Armee, Bundeswehr und Nato für die sogennante "klimafreundliche Waffenforschung" − Grüne Bombe − bekommen haben.


Erinnerungen wurden in mir wach, als wir in den 1980er auch gegen die zunehmende Finanzierung der Forschung durch Industriekonzerne protestierten...


Ein paar naive Fragen dazu:

Erleben wir heute etwa den Endzustand eines Prozesses, der in den 1980er schleichend angefangen hat und durch die Bologna-Reform 2009 zur zunehmenden Privatisierung des Bildungswesens führte? **


Wie stehen die heutigen Professoren und Forscher, die in den 1980er als junge Studenten gegen die atomare Abrüstung und gegen Drittmittelfinanzierung an Hochschulen mitdemonstrierten, zu all diesen Themen?


Sehen sie nicht, dass ihre Forschung oft nicht dem Menschen, sondern dem Profit dient?


Wann werden sie sich mit Ihren Studenten solidarisieren, um gemeinsam mit Ihnen die großen Herausforderungen unserer Zeit anzupacken?


Vertrauen sie blind der Politik? Oder lassen die prekären Beschäftigungsverhältnisse in Der Forschung mittlerweile keinen Platz für gesellschaftspolitisches Engagement?


Neulich war eine Versammlung durch einen Professor initiiert worden, berichtete mir ein rumänischer Soziologiestudent; gewisse Inhalte durften aber nicht angesprochen werden...


Meinungsfreiheit in einer bayerischen Elitehochschule im Jahre 2020

Ich fuhr mit gemischten Gefühle nach Hause. Froh, dass die Studenten so kritisch und aktiv sind, aber auch sehr skeptisch. Da musste ich wiedermal an die Studentenzeit denken, als wir aus Solidarität zu den Kommilitonen − die das sogenannte 'Skandalphysikum' damals nicht bestanden hatten −, nach Bonn fuhren, um für sie zu demonstrieren; sie aber zu Hause blieben, um für die Wiederholungsprüfung zu lernen…


Haben die 'Streber' von damals etwa heute einen begehrten, hohen Posten inne und sind zum Schweigen verpflichtet?


Und wir, die anderen, die Romantiker, sind immer noch laut auf der Straße?


Die Antworten fehlen mir. Ich weiß aber, dass es sich lohnt, sich zu empören und sich mit interessanten jungen Menschen zu vernetzen, die unsere internationale, sozial-ökologische, feministische und antirassistische Bewegung #ZuBa umarmen und vielleicht auch mit einem weiteren Meinungsaustausch unterstützen werden.


Und da gibt es Themen, die Samuel, Yiannis, Sarah und die anderen Studenten sofort aufgreifen werden, wie z.B. unsere Forderung nach Rekommunalisierung des Gesundheitswesens, sowie Transparenz und aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in den Entscheidungen über die Verteilung der Gelder für die wissenschaftliche Forschung an den Hochschulen.


Die Hoffnung stirbt zuletzt.


* wegen Politisierung der Studierenden und "um den linken Sumpf an den Universitäten trocken zu legen" (Kultusminister Hans Maier, CSU) wurde 1974 in Bayern die verfasste Studierendenschaft abgeschafft.


** siehe mehr Drittmittel-Forschung und Lerninhalte durch externe Industriekonzerne


 

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