von Leonidas Chrysanthopoulos
Botschafter ad honorem
Übersetzt ins Deutsche von
Edit Engelmann & Johanna Panagiotou Victoria Mali*
Seit der anfänglichen Imia**-Krise im Jahr 1987 ist es das erste Mal, dass die griechisch-türkischen Beziehungen an den Rand eines Krieges geraten.
Präsident war damals Halil Turgut Özal, der sich zu diesem Zeitpunkt in Houston zwecks einer Herzoperation befand. Von dort aus instruierte er das Militär, wie es sich zu verhalten habe; der Flotte befahl er, zur Basis zurückzukehren. So wurde der Frieden wieder hergestellt und beide Länder nutzten die Gelegenheit, ihre Beziehungen erneut zu pflegen. Hier sei hinzugefügt, dass es auch die US-Intervention in Imia-Fall war, die einen Krieg verhinderte und einen demütigenden Rückzug Griechenlands verursachte.
Ganz anders schaut es seit gestern - angesichts des Erdgasstreits in Kastelorizo, der zu eskalieren droht - aus. Statt eines gemäßigten Özal haben wir es heute mit einem rücksichtslosen Erdogan zu tun, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Osmanische Reich wieder aufzubauen. Die USA wiederum verfügen über eine eher verworrene und im Allgemeinen inkompetente Führung.
**Imia, türkisch Kardak, sind zwei kleine unbewohnte Inseln in der östlichen Ägäis, die immer wieder zum Gegenstand eines griechisch-türkischen Territorialstreits wurden.
Obwohl sich viele an die historische Krise von 1996 erinnern, bezieht sich Diplomat Chrysanthopoulos auf das Jahr 1987. Zu diesem Zeitpunkt war er Generalkonsul der Hellenischen Republik in Konstantinopel und erlebte hautnah diese, nicht so bekannte, schwellende Krise.
Wie sollte sich nun Griechenland heute verhalten, angesichts der Tatsache, dass das Land in der Vergangenheit so viele Fehler gemacht hat? Reicht es aus, nur auf einen potenziellen Respekt des internationalen Völkerrechtes zu hoffen? Was muss getan werden?
1. Waffenstillstand zwischen den griechischen Politiker_ innen, bis diese Krise vorbei ist. Es ist unangemessen, sich öffentlich im Fernsehen darüber zu streiten, welche Partei die größten Fehler in Bezug auf die griechisch-türkischen Angelegenheiten gemacht hat. Griechenland braucht eine Einheit wie nie zuvor.
2. Hellas sollte die Inseln Imbros und Tenedos beanspruchen, da der Artikel 14 des Lausanne Vertrages nie eingehalten wurde. Dieser sah vor, dass die Kommunalpolitik und die Ordnungsmacht in der Verantwortung der dort ansässigen griechischen Bevölkerung stehen sollte. Wenn diese im Rahmen der Agenda eines bilateralen Dialogs thematisiert wird, genießt Griechenland Vorteile, die das Land nicht hat, wenn es weiterhin nichts beansprucht.
3. Dem griechischen Volk muss es bewusst werden, dass es in dieser Geschichte auf sich allein gestellt ist. Zu hoffen, dass die NATO es beschützen wird, ist utopisch, zumal die Türkei ein eher privilegiertes Mitglied des Atlantischen Bündnisses ist. Und das nicht nur aufgrund ihrer geostrategischen-geopolitischen Rolle. Mit rund 720.648 Soldaten verfügt sie nach den USA über die stärkste Armee innerhalb der NATO (Q: Center for Strategic and International Studies). Sinnvoller wäre es in diesem Fall, die EU einzuschalten und mit konkreten Vorschlägen auf Sanktionen zu drängen. Erinnert sei hier daran, wie schwer es Großbritannien fiel, als Argentinien 1982 die Falklandinseln besetzt hatte, die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu überreden, Sanktionen zu verhängen. Erst später kam es zu einem Verbot von Waffenexporten und Importen aus Argentinien; London dagegen musste Zugeständnisse in Budgetfragen machen.
4. Die ausländischen Investoren in Griechenland müssen in Kenntnis gesetzt werden, dass ihre Investitionen im Falle eines militärischen Konfliktes einem nicht zu unterschätzenden Risiko ausgesetzt sind. Die chinesische COSCO am Hafen von Piräus und die deutsche Fraport, die die 14 griechischen Flughäfen gekauft hat, müssen schnellstmöglich ihre Regierungen kontaktieren. Diese sollten die Türkei unter Druck setzen, die Verstöße gegen die Souveränität Griechenlands müssen sofort gestoppt werden.
5. Im schlimmsten Fall sollten die Streitkräfte bereit sein, Griechenland territorial zu verteidigen. Im Rahmen eines unvermeidbaren bewaffneten Konfliktes sei eine Besatzung von Gebieten, die während den darauffolgenden Verhandlungen anschließend als Druckmittel genutzt werden könnten, nicht auszuschließen. Jeder Rückzug würde die Abtretung des Territoriums bedeuten, für das in der Vergangenheit so viel Blut vergossen wurde.
* Ursprünglich veröffentlicht in: www.filodimos.gr
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