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Aufrechte Menschen, nenikekamen!

Updated: Jun 11, 2019



In die Seele eines Volkes einzudringen, sorgfältig mit seiner Geschichte umzugehen und respektvoll seine Kultur zu erforschen, sind keine einfachen Aufgaben. Doch, inmitten dieser Schwierigkeiten liegt nach Einstein das Wichtigste: die Möglichkeit.


Über die einmalige Chance, die Burkinabé kennengelernt und mit ihnen etwas aufgebaut zu haben…


Eine Evaluation der Veranstaltung über BURKINA FASO in MÜNCHEN


München, 08. Juni 2018


Ausgerechnet an jenem Freitagabend meint es das Wetter gut mit den Münchner_ innen. Außergewöhnliche hohe Temperaturen, überfüllte Biergärten, ausgelassene Stimmung. „Wer würde sich heute in den vier Wänden des EineWeltHauses freiwillig ’einsperren’, um über kulturelle Vielfalt und Ernährungssouveränität in Westafrika zu erfahren?“ dachten sich die Initiator_ innen der Ausstellung, während der Saal dekoriert und das traditionelle Musikinstrument Ruudga noch als letzter Pinselstrich gesetzt wird.

Schüler lernen, was ihr eigenes Land produziert

Die Fotoausstellung BURKINA FASO – Eine Reise durch das Land der aufrechten Menschen beinhaltet Eindrücke aus der Hauptstadt Ouagadougou und der kosmopolitischen Oase Bobo-Dioulasso. Es sind Orte, die Johanna Panagiotou alias Victoria Mali und Dr. Thanasis Bagatzounis im Rahmen einer Feldforschung in Burkina Faso sammelten.


Victoria ist Berichterstatterin mit internationaler Ausrichtung. Als teilnehmende Beobachterin verfolgt sie einen kulturanthropologischen Ansatz vor Ort und legt großen Wert auf die Geschichte der Völker, über die sie recherchiert. Thanasis ist Onkologe und setzt sich für eine menschenorientierte Medizin ohne Diskriminierungen ein. Gemeinsam haben sie die Projekte ETHNO News, Health & Arts ins Leben gerufen, die jeden Gedanken einer sogenannten "Überlegenheit" der westlichen Kultur ablehnt und davon ausgeht, dass Menschen aus fremden Kulturen eine Bereicherung für die Münchner Gesellschaft sind.

Allein schon die Idee für das Reiseziel basiert auf dieser Tatsache. Es war nämlich die bayerische Metropole, die das deutsch-griechische Ehepaar mit den Burkinabé Ami Grünwald Sankara und Hamado Dipama einst zusammen brachte. Die Entstehung einer Freundschaft ließ nicht lange auf sich warten. Unzählige Gespräche über Kolonialismus, Ausplünderung, Armut, Flucht und Kämpfe, bestärkten das neugierige Paar in ihrem Wunsch, die ehemalige französische Kolonie Obervolta zu besuchen und sich einen eigenen Eindruck über die Lage zu verschaffen.


Gesagt, getan.

Nach einer Führung durch die Fotoausstellung versammelten sich die kulturpolitisch interessierten Gäste im dunklen Veranstaltungsraum. Gleich soll hier das Videomaterial präsentiert und über Initiativen zur Ernährungssouveränität nach jahrelanger Fremdherrschaft referiert werden. Doch die Besucher_ innen sind nicht nur als passive Teilnehmer_ innen da. Sie sind hier, um an einem interaktiven Abend zu partizipieren und sich konstruktiv auszutauschen.


Wie denken Sie, funktioniert das ausgesprochen friedliche Zusammenleben in einem Land mit 68 verschiedenen Sprachen, 60 ethnischen Gruppen und unterschiedlichen Religionen − Christentum, Islam und Animismus?“ fragen die Veranstalter_ innen. Das Eis ist gebrochen, grinsende Gesichter und ein ethnic Ambiente versprechen einen unvergesslichen Abend, wo alles richtig sitz und passt; angefangen von der ethnischen Zusammensetzung des Publikums, die anfänglich das Thema Diversität behandelt.


München ist bunt

Es sind Menschen aus Frankreich, der Schweiz, Deutschland, Benin, Burkina Faso, Griechenland und der Türkei, die in einer Stadt leben, wo sie das Privileg genießen, Interkulturalität täglich zu praktizieren. Und heute sind sie da, um ein klares Zeichen zu setzen: München ist bunt. Und man sollte immer wieder die Gelegenheit ergreifen, um das Faszinierende daran am eigenen Leib zu erleben, unseren Mikrokosmos zu verlassen und die Gemeinsamkeit mir anderen Kulturen zu entdecken. Aber erstmal muss man diesen Menschen begegnen und sie kennen lernen.


Dr. Bagatzounis referiert über die Ernährungssouveränität und die Interessen der Industrie in "Entwicklungsländern"

Die Burkinabé in München kennengelernt und sie mit Menschen unterschiedlicher Nationalitäten vernetzt zu haben, war die erste sozusagen Errungenschaft dieses Events. Und das ist keine Selbstverständlichkeit. Ein gewisses Misstrauen gegenüber "weißen" bzw. westlichen Initiativen seitens der Afrikaner_ innen ist nachvollziehbar. In den meisten Fällen geht es um meist gut gemeinte Initiativen, deren Träger jedoch den Fehler begehen, ihr Vorhaben als Almosen zu "verkaufen". Die andere Seite spürt es und lehnt es ab. Ferner werden Initiativen ergriffen, die die unzähligen Vorurteile rund um Afrika bestärken und nicht abbauen.


Auf Augenhöhe…

Andererseits war das Motto der Juni Veranstaltung "Wir reden mit Afrikanern über Afrikaner". In jedem Gespräch wurden die abwesenden Afrikaner miteinbezogen, denen man nur auf Augenhöhe begegnete. Manchmal schaute man sogar nach oben, da der Bericht einer/s Einheimischen die aussagekräftigste Quelle ist. Dafür sorgten die Mitglieder des Vereins der Münchner Burkinabé sowie der Menschenrechtler aus Burkina Faso Hamado Dipama, der sich unter anderem im AK Panafrikanismus e.V. für Gerechtigkeit, Verarbeitung des Kolonialismus sowie gegen Geschichtsrevisionismus, Rassismus und Diskriminierung engagiert.

Inspiriert wurde der Aktivist vom charismatischen Präsidenten Thomas Sankara, der bis heute als Ikone des panafrikanistischen und antipatriarchalischen Kampfes gilt. Auch ihm, wurde eine besondere Ehre an jenem Abend erwiesen, während aus dem Buch "Thomas Sankara: Die Ideen sterben nicht!" gelesen wurde. Es waren pathetische und humanistische, kämpferische und inspirierende Reden, die das Publikum emotional berührten und sie zum Nachdenken brachten.


Hamados Mitstreiterin, Ami Grünwald Sankara, wollte eigentlich auch über ihr Vorbild referieren und den Münchner_ innen mehr über den Mann erzählen, der alles ändern wollte und dies mit seinem Tod bezahlte. Aber ein anderer, junger Mann ließ es nicht zu.


Elias ist mittlerweile da, kerngesund und ein prächtiger, bayerischer Burkinabé, der gerne Initiativen ergreift. Wie etwa an diesem Abend, wo er sich vornahm, das Licht dieser Welt früher zu erblicken, um uns immer an diese schöne und gelungene Veranstaltung zu erinnern.


Wir bedanken uns beim Kulturreferat München und bei all denen, die diese ermöglicht haben.


 

* Über das Wort nenikekamen im Titel

Marathon-Schlacht, 490 v.C. = Nenikekamen (gr. νενικήκαμεν) „Wir haben gesiegt!“: Das letzte Wort von Eukles (und möglicherweise nicht von Pheidippides), der mit dieser erfreulichen Botschaft über den Sieg gegen die Perser in Athen ankam

 


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