Die Laterne und der Nachbar
Der erste Monat in der neuen, alten Heimat ist nun vorbei, doch was Großartiges hätte ich nicht zu berichten. Zum einen gab es keine gravierenden Veränderungen, da ich weiterhin in Deutschland aktiv bin; zum anderen werde ich immer älter und als eine klassische 40 + Autorin macht man/frau sich eher in der Beobachtungsposition bequem, hat seinen Enthusiasmus unter Kontrolle, lässt sich mit den Schlussfolgerungen etwas Zeit und unterschätzt die Relevanz des ersten Eindrucks.
Trotzdem ist im schönen Süden immer sehr viel los. Denkt nur daran, dass circa drei Tage in einem Tag verpackt sind. Genauer gesagt, wird der Tag gezwungenermaßen halbiert, da es ohne Siesta unmöglich ist, die extrem hohen Temperaturen zu überstehen. Nachmittags beginnt also ein neuer Tag und so gegen 21 Uhr, wo der erste Wind endlich weht, beginnt ein neuer Abschnitt, der abenteuerlich sein kann.
Das Geschehen im dritten Teil unseres gestrigen Tages ist eine Erwähnung wert.
Zum Ereignis: Die Lichter gehen aus, die Kinder schlafen, die Eltern gehen ihre immer länger werdende To-Do-Liste durch. Und obwohl ich mich von den Kindern mehrmals verabschiedet habe, mache ich die Einheimischen nach und spüre den Bedarf, ihnen nochmals einen Gute-Nacht-Kuss zu geben und zigmal einen guten Start, ΚΑΛΗ ΑΡΧΗ, zum Schulanfang zu wünschen. Zwei Elemente seien dabei zu beachten: a. Es muss sehr laut und b. wiederholt gewünscht werden.
Ich erlaube mir, das Licht nicht einzuschalten, nehme meine Laterne und schlüpfe nach griechischem Ritual in meine Mutter-Rolle, um erneut ΚΑΛΗ ΑΡΧΗ zu wünschen. Anschließend widme ich mich meiner Abendarbeit, die ich wieder mal unterbreche, um das Übliche wieder zu wünschen – diesmal mit der Taschenlampe meines Handys.
Nach 10 Minuten sollte absolute Ruhe herrschen. Und plötzlich war alles ganz anders…
Es klingelt. Vor der Sicherheitskamera macht sich ein Nachbar hübsch. „Bestimmt will er uns zum Umparken auffordern“ – denken wir. Doch er ist unruhig und hält ein Knüppel. Mit einem Einsatzstock in seiner Faust und einer unruhigen Stimme versucht er zu erklären, wie er beobachtet hat, dass bei uns vor Kurzem eingebrochen wurde. Die Diebe sind zwei; der eine ist mit einer Laterne, der andere mit einer Taschenlampe unterwegs.
Der nächste Nachbar schnappt sich ein Messer, bis die Polizei eingeschaltet wird. Es herrscht Panik, bis ich alle Informationen zugeordnet habe. Doch am Ende triumphieren die Ruhe und der Verstand. Beide gaben mir die Kraft, ein süßsaures Lächeln aufzusetzen und zu erklären, dass ich der angebliche Räuber (selten in weiblicher Form) bin und dass alles unter Kontrolle ist.
Schlussfolgerungen: Eigentlich haben wir – im Nachhinein betrachtet man/frau alles mit Humor – das erlebt, was uns gefehlt hat. Das ehrliche Interesse der Nachbarschaft. Dieses ist zuweilen mit einer Prise Neugier verbunden, was manche Menschen stört oder unsicher macht.
Apathie und Desinteresse seien nicht zu unterschätzen und mit einem angeblichen Respekt für die Privatsphäre des anderen, des „Unbekannten“ von nebenan nicht zu verwechseln.
Auf der anderen Seite gibt es in dieser Gesellschaft so viele Probleme, die ihre Ursache in der Gleichgültigkeit haben. Apathie und Desinteresse seien nicht zu unterschätzen und mit einem angeblichen Respekt für die Privatsphäre des anderen, des „Unbekannten“ von nebenan nicht zu verwechseln.
Ferner ist in einer neuen/anderen Kultur immer mit dem Gesamtpaket zu rechnen.
Das großzügige Interesse kann unangenehm werden, manchmal ist es auch mit einer latenten Hoffnung auf Gegenleistung verbunden. Für jemanden, der/die eine Kultur (neu) entdeckt, ist es sehr wichtig, für sich selbst im Klaren zu awin, was ihm/ihr zum gegebenen Zeitpunkt am wichtigsten ist.
Alles kann man nie haben und in verschiedenen Abschnitten unseres Lebens wird auch anders priorisiert.
Und das ist, was die Kulturen und unser Leben in und mit ihnen so faszinierend macht.
Dr. Johanna Mamali Panagiotou
PhD in American Culture & History
(Victoria Mali)
Comments