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Writer's pictureV. Mali / J. Panagiotou

Hindenburg stürzt ab!

Updated: Jan 21, 2020

Die Berichterstattung zweier Zeitungen, TREMONIA und WESTDEUTSCHER BEOBACHTER, könnte nicht unterschiedlicher sein

Während die TREMONIA nüchtern und sachlich über den Absturz der "Hindenburg" berichtet, ist die vorliegende Ausgabe des mit nationalem Pathos überfüllten WESTDEUTSCHEN BEOBACHTERS ein propagandistisches Meisterwerk.

Tremonia

Die „Tremonia“ (lat. Dortmund) wurde Weihnachten 1985 von den Brüdern Lensing gegründet und erschien in einer Aufgabe von 3.000 Exemplaren


Diese Zahl stieg bis zum Beginn der NS-Zeit auf 48.000 Exemplare an. Die Nationalsozialisten ließen zwar – um Pressefreiheit zu demonstrieren – die Zeitung überleben, die endgültige Entscheidung über den Inhalt der Zeitung traf jedoch ein SA-Obergruppenführer.


Dies geschah als Reaktion auf die immer wieder äußert kritischen Berichte der Zeitung. Im April 1945 erschien die letzte Ausgabe. Vier Jahre später erhielt das Verlagshaus Lensing erneut eine Lizenz zur Herausgabe einer Zeitung. So kamen am 1. März 1949 erstmal die „Ruhr Nachrichten“ heraus, die bis heute in Nordrhein-Westfalen präsent sind.



Der oben geschilderte institutionelle Rahmen der Zeitung spiegelt sich auch in der Berichterstattung vom 7. Mai 1937 wider. Die Nachricht über den „Hindenburg“-Absturz wird kurz, prägnant und trocken wiedergegeben. Was die Länge betrifft, wird der Lufttragödie – im Gegensatz zum „Westdeutschen Beobachter“, der sich überwiegend auf das fatale Geschehen bezieht, – nur die erste Seite gewidmet.


Beim Durchblättern dieser Ausgabe von „Tremonia“ finden wir zwar keine scharfe Kritik am nationalsozialistischen Regime; jedoch wird die oppositionelle Stellung der Zeitung auf subtile Art deutlich. Auf Seite 5 gibt es beispielwiese ein Bild, das die beteiligten Arbeiter bei einem Mittagskonzert darstellt. Man sieht Menschen mit schmutzigen und nicht unbedingt frohen Gesichtern, die ohne Lust und Motivation den Hitlergruß zeigen. Die Bildunterschrift ist zusätzlich von leichtem Spott durchsetzt: „Mit erhobener Hand hören die braven Bergknappen […] die nationalen Lieder.“


Des Weiteren lesen wir im Blatt, das einst zu den 25 größten deutschen Zeitungen im Privatbesitz gehörte, etliche internationale Berichte und Kommentare über andere Länder wie Spanien, Holland und Belgien, Sensationsthemen in der Unterhaltungsbeilage (s. 10) sowie Kunst- und Sportthemen (s. 8 und 11). Die Zeitung verfügt über zahlreiche Werbekunden (S. 4, 6, 7 und 12). Hauptsächlich wirbt sie für Produkte aus der Modewelt.

 

WESTDEUTSCHER BEOBACHTER

Der „Westdeutsche Beobachter“ war eine der NSDAP zugehörige Zeitung im Reichsgau Köln-Aachen.


Sie wurde im Mai 1925 als Wochenzeitschrift der nationalsozialistischen Partei gegründet und erschien ab September 1930 täglich. Von 1933 bis 1945 entwickelte sich der „Westdeutsche Beobachter“ zum auflagenstärksten Blatt in Köln; so meldete der Verlag schon im Jahr 1934 eine Auflage von 186.000 Exemplaren.


Zum ideologischen Hintergrund der Zeitung sei erwähnt, dass diese schon in der Weimarer Republik radikale antisemitische Inhalte veröffentlichte. Sie führte regelmäßig Hetzkampagnen gegen lokale jüdische Politiker, Unternehmer und Künstler und wurde wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ und „Aufrufung zum Klassenhass“ mehrmals eingezogen.


Wie erwartet, wurde die erste Seite dieser Ausgabe vom 8. Mai 1937 vollständig der Nachricht über den Absturz des Zeppelins 129 „Hindenburg“ gewidmet. Die Nationalsozialisten hatten die Luftschiffe und deren Image zuvor massiv für ihre Propaganda ausgeschlachtet. Unübersehbar die Botschaft, zwar sei ein Luftschiff abgestürzt, trotzdem sei „Die deutsche Luftschifffahrt unbesiegbar!“


Eine Art Rückblick auf frühere propagandistische Maßnahmen findet sich auf Seite 2 mit der Schlagzeile „Trauer und Mitgefühl in aller Welt“. Auf allen Erdteilen tätige Korrespondenten der Zeitung berichten über das einst größte steuerbare Flugobjekt der Welt, das jetzt in Trümmern liegt. Es war unbestritten der Stolz einer ganzen Nation. Diesen Stolz versucht die Zeitung zu stärken. Gleichzeitig betont sie, dass Deutschland − nicht nur für seine technischen Leistungen − von den anderen Nationen hoch geschätzt und respektiert werde. Alle Anstrengungen, das Unglück als Ansporn für noch bessere und größere Leistungen zu sehen, sind, wie man weiß, verpufft. Mit dem Absturz der Hindenburg geht das Kapitel Luftschifffahrt zu Ende.

Wir senken die Fahnen aber wir kennen keine Resignation! ‘‘


Besonders lesenswert auf der ersten Seite des regimetreuen „Westdeutschen Beobachters“ ist die rechte Spalte. Dort findet man das Beileidstelegramm des „Führers“ sowie dessen Korrespondenz mit dem italienischen Regierungschef Mussolini. Anschließend erfahren wir Folgendes: „Unter der riesigen Zahl von Beileidstelegrammen liefen bei der Deutschen Zeppelin-Reederei auch solche der Reichsminister Frick, Goebbels, Ohnesorge und Seldte ein.


Ebenfalls brachte Generalfeldmarschall von Blomberg seine tiefe Anteilnahme an dem Unglück zum Ausdruck. Sämtliche führenden Männer aus Partei, Wehrmacht, Staat, Wirtschaft und Kultur sprachen ihre Anteilnahme aus. Dieser Abschnitt dient dazu, die Einheit der deutschen im Angesicht des Unglücks hervorzuheben. Dies gelingt dem Autor mit viel Pathos, das sich durch den gesamten Text zieht.


Auf derselben Seite wird über die Ursachen des Absturzes spekuliert. Der entsprechende Artikel basiert auf den Aussagen des Luftschiffers Edener in Berlin. Demzufolge könne man als mögliche Ursache des Unfalls „die elektrischen Vorgänge, die vielleicht auf die Witterungslage zurückzuführen“ waren, erwähnen. Zusätzlich vergisst der anonyme Schriftleiter nicht zu betonen, dass man, laut Edener, die Möglichkeit von Sabotage nicht ausschließen könne.

Dies sei ernstlich zu untersuchen.


Hier ist die manipulierende Propaganda deutlich zu erkennen: Deutschland konfrontiert mit Feindschaft, Konkurrenz und Neid. Das Schlusswort des Berichtes ist, wie nicht anders zu erwarten, Hitler gewidmet. Ihm seien alle Luftschiffer „aus tiefstem Herzen dankbar“. Grund dafür sei die Gewissheit, dass „Deutschland unerschütterlich am Luftschiffbau festhält“.


Im Anschluss an den ausführlichen Bericht über das tragische Geschehen darf sich der Leser auf Seit 3 mit Sportthemen vergnügen. Der Sieg Deutschlands über Österreich beim Davis-Pokal-Kampf nimmt selbstverständlich einen zentralen Platz ein. Derselbe Ton dominiert auch auf Seite 4, wo sich der „Kölner Beobachter“ regionalen Themen widmet. Auf den folgenden Seiten beschäftigt sich die Redaktion mit Kultur.


Auf den Seiten 6, 7 und 9 wird ausführlich auf die Reichsausstellung „Schaffendes Volk“ eingegangen. Der Staat nutzte diese größte Reichsausstellung als Bühne für seine Propaganda mit Inhalten wie dem (nur scheinbar) „friedlichen“ Neuaufbau Deutschlands im Rahmen des Vierjahresplans. Über sechs Millionen Menschen strömten aus dem In- und Ausland in die Stadt am Rhein, um hier das „neue deutsche Wohnen“, die „neue deutsche Kunst“ zu bewundern. Doch zwischen Industriehallen, Mustersiedlungen und Gartenschau finden sich deutliche Anzeichen dafür, dass diese Ausstellung das Spiegelbild Deutschlands am Vorabend des Krieges darstellt.



Copyrights: © 2009 ZEITUNGSZEUGEN, Nummer 32

TEXT:

Johanna Mamali, 2009

Diplomierte Journalistin

Doktorandin an der Ludwig-Maximilians-Universität

Germanistische Linguistik / Neogräzistik

NS-Forschung

Großes Dankeschön an die Praktikantin Sakina Dipama für die wertvolle Unterstützung bei der Digitalisierung dieser Veröffentlichung von 2009.

 

Sowohl ZEITZEUGEN als auch wir als Ethno News distanzieren uns ausdrücklich von den Inhalten der hier abgedruckten Zeitungen und Dokumente!

 

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